Sehr verehrte Damen und Herren, ich möchte Ihnen heute nichts erklären, zumindest keine Bilder im Einzelnen. Gerne möchte ich Ihnen dafür vier Begriffe mit in die Ausstellung geben, die womöglich hilfreich sind, beim Betrachten der Arbeit von Barbara Höller:
Auch wenn es auf den ersten Anblick nicht den Anschein haben dürfte, diese Künstlerin sieht sich von Anfang an stets der Malerei verpflichtet. Malerei, das ist für gewöhnlich und ganz klassisch: Farbe auf Grund. Was als unverrückbare Tatsache erscheint, wird allerdings hinterfragt und überprüft. Da gab es vor einigen Jahren die puren MDF-Platten, deren Oberfläche mit verschieden tiefen Bohrungen strukturiert wurde. Es gab Bohrlöcher, die mit Farbe gefüllt wurden und im Prozess des Trocknens, das bekamen, was für gewöhnlich beim Altern von Ölgemälden auf der Oberfläche entsteht, jene Sprünge, die man Krakeln nennt. Malerei spielt sich hier weniger dem Malgrund, sondern in tiefer liegenden Schichten ab, dennoch versteht sie sich als Malerei.
Womöglich haben Sie bereits die drei Arbeiten mit den Farben der Ampel anderen Ende der Büroräumlichkeiten gesehen, dies wäre ein Beispiel von Farbe ohne Grund. Was sie hier an Aluminiumplatte durchscheinen sehen, kommt erst nach dem Prozess des Malens, zwecks Stabilisierung, hinzu Die gemalte -oder in diesem Fall mittels Tülle auf Glas aufgetragene- Linie wird als Meterware produziert, von der glatten Fläche gelöst und danach spiralförmig aufgerollt. Was man zu sehen bekommt, ist demnach die Seitenansicht einer pastosen Farblinie, die sich Runde um Runde größer werdend zur Fläche fügt.
Es hat in den letzten Jahren einige dieser Farbexperimente gegeben. Farbe, die durch oftmaliges Auftragen zur Kubatur wurde oder dünner aufgetragen zu einer Farbfläche. Sie konnte gestapelt oder gleich Tüchern gefaltet werden oder aber lose über den Sockel geworfen. Zwar bleibt es –auch durch den Vorgang des Farbauftrages- Malerei, doch durch einen weiteren Handlungsverlauf erhält die Farbe als Material jene Qualitäten, die man von Skulpturen kennt.
Dies führt uns bereits weiter zum nächsten Aspekt, der im Œuvre von Barbara Höller wichtig ist, das Spiel zwischen Fläche und Raum.
Wie Malerei räumliche Qualitäten erlangen kann, gehört zu den elementarsten Überlegungen von Barbara Höller. Das kann bei vielen der Arbeiten, die mehrteilig funktionieren, die Zone des Zwischenraumes sein. Sie ist als Teil des Konzeptes genau angegeben und steht oft in Relation zu den Maßen oder dem Inhalt des Werkes. Wie sie vielleicht bereits gesehen haben, hängt der überwiegende Teil der Arbeiten nicht plan an der Wand, sondern in einem gewissen Abstand. Dieser der Raum zwischen Wand und Rückseite des Bildträges von Bedeutung. So gibt es Tafelbilder, deren Rückseite farbig ist, sodass um das Bild eine leicht farbige Aura entsteht. Sie können das beispielsweise an dem Werk überprüfen, auf das sie zugehen, wenn sie die Büroräume betreten.
Auch erinnere ich mich an eine der wenigen Fotoarbeiten von Barbara Höller, die sie von einem längeren Japanaufenthalt mitgebracht hat. Fasziniert hatte sie dort Architektur fotografiert, doch wird beim Betrachten schnell klar, dass nicht die Gebäude selbst im Fokus der Aufmerksamkeit standen, sondern die schmalen Zwischenräume, die sie trennten. Diese Spalten, zu eng um sie jeglicher Nutzung zuzuführen, markieren das Zentrum dieser Fotografien. Die Art und Weise mit diesen „Un- oder Nicht-Räumen“ umzugehen, scheint mir symptomatisch in diesem Werk. Sie haben keinen Nutzen, doch sind diese Zonen des Abstandes nicht Raum, der zufällig durch das Display entsteht. Das Werk wird nicht an sondern vor der Wand, gleichsam bereits im Raum präsentiert. Das sind, so möchte man meinen, wenig Zentimeter, doch ist es der Unterschied ums Ganze.
Schön auch in diesem Zusammenhang die Reihe „Squeeze“, die schlicht und heiter der Frage nachgeht, was mit einem Zwischenraum zwischen zwei Papierblättern passiert, wenn man ihn mit Farbe füllt und zusammenpresst.
Nun geht es jedoch in den neuesten -hier überwiegend gezeigten- Arbeiten noch um einen Schritt weiter. Es geht um die Frage von Raum in den digitalen Medien im Allgemeinen und am Bildschirm im Besonderen. Für viele von ihnen, die hier heute anwesend sind, ist dieser Umgang mit digitalen Medien eine alltägliche Selbstverständlichkeit, wenn nicht überhaupt Profession. Im Kontext einer Ausstellungssituation ist dies mitnichten selbstverständlich, es ist vielmehr erklärungsbedürftig.
Barbara Höller selbst, sieht es als eine der dringlichsten Aufgaben der Gesellschaft, sich mit der digitalen Welt auseinander zu setzen. Im konkreten Fall geht es hier um die Gleichzeitigkeit von realem und virtuellem Raum, in dem wir uns tagtäglich bewegen, wenn wir uns am Arbeitsplatz vor dem Bildschirm befinden. Die von Koordinaten bestimmten Achsen werden heute sofort als Raum gelesen, überlagern sich nun mehrere dieser Räume, muss man sich erst orientieren, die Räume gleichsam ordnen, um sie neu zu lesen. Oder aber man nimmt dieses Linienkonstrukt als 2-dimensionale Fläche wahr, die sich durch die Mehrteiligkeit der Arbeiten in alle Richtungen Fortsetzen lässt. Manche Arbeiten wie die Serie „angle“ fordern einem schließlich, sich durch den realen Raum zu bewegen, um die Bilder unterschiedlich wahr zu nehmen, da sie mit unterschiedlich reflektierender Farbe gemalt sind.
Wie bereits bei dem Spiel zwischen den malerischen und skulpturalen Momenten beim eingangs erwähnten Punkt, kommt es auch hier zu einem Wechselspiel in der Wahrnehmung von Raum und Fläche.
Dies führt nun zu dem zentralen Begriff, der eigentlich am Anfang der künstlerischen Idee steht, dem man als Betrachter allerdings erst nach dem ersten Blick auf ein Werk nachgeht:
So sehr Barbara Höller -und mittlerweile sind sie davon hoffentlich auch überzeugt- der Malerei nahe steht, sie ist auch studierte Mathematikerin.
Malerei hat mittlerweile nicht zwingend mehr mit Geste, im Sinne eines Pinselstriches zu tun, vielfach geht es um konzeptionelle Fragestellungen.
Wir hatten nun bereits den Umgang mit Materialität, wir hatten den Raum, dessen Konstruktion und Wahrnehmung. Was dabei jeweils zur Anwendung kommt, ist ein zuvor von der Künstlerin festgelegtes Regelwerk. Oder um bei der Mathematik zu bleiben, eine Formel, die der Idee zu Grunde liegt. Sei es nun der prozentuale Anteil von Farbpigmenten, die bei den Helix-Arbeiten oder den Ampeln peu-a-peu gesteigert wird und zum Farbverlauf führt, oder aber die Frage, wie die einzelnen Räume auf den einzelnen Platten angelegt werden, um eine Fortsetzung in alle Richtungen zu ermöglichen.
Das mag nun alles einigermaßen streng in der Konzeption anmuten, doch merkt man es meist auch an den Titeln der Werkserien, die oftmals lautmalerisch oder als Wortspiel funktionieren und Hinweise auf die dahinterliegende Idee liefern: Barbara Höller verfügt über jede Menge Humor. Perfektion ist perfekt, aber längst nicht alles und so lässt es sich durchaus als souveräne Geste verstehen, dass Fehler mitunter als Stolpersteine eingebaut werden, was uns nun zum nächsten und letzten Punkt führt:
Farbe wäre ihr bester Assistent, meint Barbara Höller. Und, wie es so bei Assistenten bisweilen ist, sie führen mitunter ein gewisses Eigenleben, tun schlicht nicht, was man von ihnen erwartet, vielmehr tun sie, was sie wollen.
Freilich darf nicht alles sich selbst überlassen werden, den neuesten Arbeiten mit dem Titel „Trail“ -sie sehen drei davon hier vorne beim Eingang- gehen umfassende Experimente zuvor.
Erstmals seit –wie ich meine- nun Jahrzehnten hat Barbara Höller hierfür wieder einmal ganz herkömmlich einen Rahmen mit Textil bespannt. Nein, nicht Leinwand, sondern einem ganz speziellen Stoff, der für gewöhnlich für Anoraks zum Einsatz kommt. Der Stoff hat die Eigenschaft, wie die Künstlerin herausgefunden hat, nicht allzu saugfähig zu sein, sodass Farbe schön in gleichmäßigen Linien herab fließt. Doch bisweilen trifft die fließende Farbe auf bestehende Linien und eigentlich müssten sich diese nun kreuzen. Doch sie sich für ein Stück des Weges bis der die Schwerkraft wieder zum Tragen kommt und nach einer Abzweigung verlangt. Was als gleichmäßiges Raster oder Gitter gedacht wäre, schert aus und – wird vom uns wieder einmal räumlich wahrgenommen. Dies mag nun durchaus der Konzeption der Künstlerin entsprechen, Einfluss jedoch hat sie darauf keinen. Sie muss dem Zufall trauen können.
Material, Dimension, Konzept und Zufall waren, um es nun noch mal zusammen zufassen, die vier zentralen Begriffe im Werk von Barbar Höller. Wenden wir uns nun zur Seite sehen wir sie in dieser Arbeit nochmals vereint. Ob das nun stimmt? Sie sind herzlich eingeladen, dies nun zu überprüfen.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.
Daniela Gregori, März 2017
Daniela Gregori Ist Kunsthistorikerin und Kunstjournalistin und lebt in Karlsruhe (DE) und Wien (AT)